Dienstag, 9. November 2010

Biosozialpolitik. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass das Verschmelzen von Armutsverwaltung und Bildungs- und Gesundheitspolitik nichts anderers ist als eine Wiederkehr der Sozialpolitik der Lebensstile. So wie in der "Armenpflege" um 1900 kommunale Aufseher kontrollierten, ob nicht ein Familienmitglied die gewährte Unterstützung vertrank oder sich auf eine andere Art als unwürdig zeigte, so müssen die Bedürftigen von heute jeden Aspekt ihrer Lebensführung offenlegen und rechtfertigen.

Gemeinsam ist dieser Form der Armenpflege, dass sie rein "angebotsseitig" ausgerichtet ist: Die Erwerbslosigkeit ist Folge von Defiziten der Personen, und diese Mängel werden mit der Zeit (und mit Voranschreiten der Krise) immer allgemeiner definiert, bis sie schließlich in einer Unlust oder Antriebslosigkeit bestehen sollen. "Die wollen einfach nicht richtig!" Es gibt demnach schuldig und unschuldig Bedürftige.

Was ist also das Neue? Gibt es überhaupt irgendetwas Neues. einen "Fortschritt"? Vielleicht, wie umfassend heute die pädagogische Aufgabe des Staates definiert wird. Er soll - biosozialpolisch - die Defizite in den Einstellungen bekämpfen. Zugriff auf die Bevölkerung hat er über die Schulen und Kindergärten.
Der britische Politiker Frank Field, am äußersten rechten Rand der Labour Party, schlägt jetzt vor, in der Schule "Kindererziehung" zu unterrichten (nachzulesen im Guardian).
The coalition's poverty adviser, Frank Field, will call for all children to be given parenting classes at school when he presents a government-commissioned review into poverty to the prime minister later this year. The theme of Field's review is "how to prevent poor children becoming poor adults". He recommends a move away from a mainly financial approach to tackling child poverty, favoured by the last government, to a strategy that focuses on parenting, and on the early childhood years, up to the age of five.