Mittwoch, 10. November 2010

Security trough obscurity

In meinem Buch "Datenschatten" habe ich mich auch mit der Überwachung im privaten Bereich beschäftigt: Liebhaber spionieren der Partnerin hinterher, die Ehefrau ihrem Mann und Eltern ihren Kindern. Nun bringt die ZEIT einen Artikel über die familiäre Überwachung.
Allerdings bleibt Autor Hellmuth Vensky ziemlich an der Oberfläche; eigentlich zählt er lediglich auf, was die Geräte bisher so können (was man anderswo, nicht nur bei mir bereits nachlesen konnte). Richtig, manche Eltern lassen ihren Kindern keinen Freiraum, schenken ihnen kein Vertrauen - aber warum? Und welche Rolle spielt die Technik in der Eltern-Kind-Beziehung? In "Datenschatten" heißt es:
Die Überwacher sind nicht die autoritären Eltern von einst. Wie bei der Facebook-Schnüffelei ist an solchen Angeboten attraktiv, dass sie nicht bemerkt wird. (...) Paradoxerweise soll die Überwachungsmaßnahme das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entlasten. Statt die Kinder zur Rede zu stellen und Streit zu provozieren, "können Sie mittels Track Your Kid Stück für Stück Ihrem Kind Vertrauen schenken, welches es auch verdient – denn Sie wissen, dass Ihr Kind sich in einer sicheren Umgebung aufhält."
Müssen oder wollen Eltern dann allerdings eingreifen, fliegt der Schwindel auf – oder sie müssen zu weiteren Lügen greifen. Moralisch mag man Tracking anrüchig finden, pädagogisch ist es verheerend: Es vermittelt Kindern und Jugendlichen, dass ihre Eltern ihnen nicht vertrauen und nicht glauben. Gleichzeitig zeigen sich die Überwacher als schwach. Gerade weil sie selbst nicht daran glauben, dass ihre Regeln befolgt werden, greifen sie zur Dauerkontrolle.

Nebenbei erwähnt allerdings Vensky ein Phänomen, das ich für ganz wesentlich halte: wirksame Überwachung muss sich verbergen.
Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM versucht dagegen, den Nachwuchs zu überlisten: mit dem Kidfinder. Der passt nämlich in die Slots von gängigen tragbaren Spielekonsolen, ohne die eh kein Kind das Haus verlässt. Sowohl über das Mobilfunk-Netz GSM als auch über die Satellitennavigation GPS bestimmt das Ding seine Position und teilt sie den Eltern auf Anforderung per SMS mit. Handelsübliche Kartensoftware verwandelt die Koordinaten dann in ein Kreuzchen auf dem Stadtplan.

Darf man sich eigentlich selbst zitieren? Ich tu's einfach:
Die Methoden der Marktforscher, Detektive, Polizisten und Agenten, letztlich aller Überwacher beruhen auf Täuschung und Geheimhaltung. Sie müssen verdeckte Ermittler sein. Überwachung, die den Überwachten keine Regeln vorschreiben kann, muss täuschen und sich verstecken. Sie muss verschleiern, wie sie funktioniert.

Es wird nicht lange dauern, bis aufgeweckte Kinder verstehen, wie die technisierte Überwachung von Mama und Papa funktioniert. Dann werden sie ihre Spielekonsole der Freundin mit nach Hause geben, wenn sie in den Club wollen.