Freitag, 18. Februar 2011

"Freiheit für die Offline-Provider"

Heute begann vor einem Berliner Amtsgericht das erste von einer ganzen Reihe von Strafprozessen gegen Buchhändler der Stadt. Sie sind angeklagt wegen Anleitung zu Straftaten beziehungsweise Verstößen gegen das Waffengesetz. Konkret geht es um die Verbreitung zweier "linksautonomer" Zeitschriften.

Dazu wäre einiges zu sagen, das aus bürgerrechtlicher Sicht brisanteste ist folgendes: Die Staatsanwaltschaft will die Händler für das bloße Zugänglichmachen der Texte wegen Beihlfe einer Straftat verantwortlich machen! Obwohl die bewussten Zeitschriften nicht verboten sind, sollen die Buchhändler den Inhalt der Bücher und Zeitschriften in ihren Länden prüfen und im Zweifelsfall strafrechtlich verantworten. Das wäre nichts anderes als eine "Providerhaftung der Buchhandlungen" (um ein Wortspiel von Anne Roth abzuwandeln).

Weil das nun nicht üblich ist, argumentiert die Staatsanwaltschaft mit der Tendenz der Läden. Da es sich um Linke handelt, sollen sie auch für das schlimme linke Zeug in ihren Geschäftsräumen gerade stehen. Komisch, dass sich die sogenante kritische Öffentlickeit dafür nicht zu interessieren scheint!

Dietmar Dath hat übrigens gestern im ND das Verfahren kommentiert. Der lesenswerte Text findet sich hier.
Wir haben im Umfeld des Verfahrens, um das es in Berlin jetzt geht, davon gehört, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz, eine Säule der Rechtssicherheit, ohne die es keine Rechtsstaatlichkeit geben kann, nichts mehr wert sein soll: Es wird von staatlicher Seite offen zugegeben, dass nicht das Auslegen oder Verkaufen des Materials selbst der Tatbestand ist, der sanktioniert wird, denn wenn dasselbe Zeug bei braven Leuten läge, würde man, heißt es, nicht davon ausgehen, dass sie sich damit identifizierten. Es geht also um Haltungen – Leute, die in den verfolgten Läden arbeiten, werden kujoniert nicht für das, was sie etwa tun, sondern für das, was sie sich dabei mutmaßlich denken.