Dienstag, 3. Januar 2012

Die Triebtäter und die Bürger

Das Thema "hochgefährliche Straftäter" ist brisant und taugt für alle möglichen Zwecke. Eine kurze Beobachtung zum (medialen) Diskurs über die Sicherungsverwahrung.

Schweiger: "Was ich so schlimm finde ist, dass wir in Deutschland, wenn es so eine Sendung gibt wie ‚Tatort Internet‘ reden alle nur darüber, wie böse das ist, dass man potenzielle Täter gepixelt im Fernsehen zeigt. Aber die Diskussion, was man dagegen macht, die höre ich nicht mehr. Ich höre immer nur: (...) Sicherheitsverwahrung ist unmenschlich. Das höre ich die ganze Zeit. Ich höre nie, was aus den Opfern wird. (...) Das ist dieses deutsche Gutmenschentum, das mich so ankotzt! (...) Deutschland ist eine Tätergesellschaft! Und es geht auch im ‚Tatort‘ (ARD, Anm. der Red.) immer nur um den Täter, keiner geht in die Geschichte mit dem vergewaltigten Opfer und guckt, was das auslöst. Okay, jetzt hat der Mörder Sicherheitsverwahrung bekommen. Ausnahme! Andere werden aus der Sicherheitsverwahrung rausgelassen."

Til Schweigers Behauptung, es gehe in der Debatte um die Sicherungsverwahrung "immer nur um die Täter", ist ganz typisch Aber sie stimmt nicht. Es geht ebenso wenig um die Täter wie um die Opfer. Es geht um diejenigen, die sich empören. Ihre Abscheu soll bedeuten, dass sie die Anständigen sind, solche, die "mit so was" nichts zu tun haben. Ich habe da meine Zweifel.

Die Art, wie Schweiger und ähnliche Kinderschützer über sexuellen Kindesmissbrauch und Gewalt zu sprechen, ist, psychoanalytisch gesprochen, "überdeterminiert". In die lautstarke Empörung mischen sich widerstreitende Regungen wie Faszination, Angst und aggressive Abwehr. Der sprichwörtliche Sicherungsverwahrte ist ein "Sexualtäter", "Sexgangster", "Sextäter". Er ist eine "unberechenbare Hormon-Zeitbombe", kurz: ein "Triebtäter", der sich nicht im Griff hat.

Mehr noch, er steht für "das Böse", das zu allem Überfluss unerklärbar sein soll - so als wären Kindermörder wie Bartsch nicht selbst von ihren Eltern schwer misshandelt worden. Aber "das Böse" ist bekanntlich irgendwie auch faszinierend, wie das Blühen des Serial Killer-Genres zeigt. Er bricht die letzten verbliebenen Tabus: Sexuelle Praktiken müssen konsensual sein und Kinder sind nicht vertragsfähig.

Stimmt nicht? Unterstellung? Dann muss mir jemand erklären, was sich in Randerath, Insel oder Jenfeld abspielt, wenn ehemalige Verwahrte dort hinziehen. Ich jedenfalls lasse mein Kind mit niemandem allein, der "Todesstrafe für Kinderschänder!" schreit.