Donnerstag, 25. April 2013


Herzlichen Dank, wir haben begriffen: genau so viel Party steckt im Party-Nationalismus.

Mittwoch, 17. April 2013

"Neuro + Pricing = Gewinn"


Die wohl lustigste verhaltensökonomische Studie ever! kommt von der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule München
Die Verantwortlichen der Studie Dr. Kai-Markus Müller und Christian Chlupsa interessiert, welchen Preis der potentielle Kunde dabei als fair einstuft. ... (Die Studie) besteht aus einer Kombination von EEG-und Reaktionszeitmessung sowie echten Absatzzahlen am Versorgungsautomaten der Hochschule. „Die direkte Messung der Hirnaktivität ermöglicht uns einen völlig neuen Einblick ins Kaufverhalten“, so Kai-Markus Müller.
Nur - welche? Welche Hirnaktivitäten als Ausdruck des Fairness-Empfindens gewertet werden, bleibt in der Presseerklärung übrigens auch offen.

Dienstag, 16. April 2013

Montag, 15. April 2013

"Brauchen wir mehr Transparenz?"

fragt die Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte. Meine Antwort mit knapp 180 Zeichen:


Meine Damen und Herren, ich präsentiere: den ersten krypto-leninistischen, mit bundesdeutschen Steuermitteln finanzierten tweet der Mediengeschichte!

Freitag, 12. April 2013

"Werbekreuzzügler und Abrichtungsphantasten"

Mit einer späten Besprechung im Deutschlandfunk ordnet Walter van Rossum Frank Schirrmachers "Ego" ein. Van Rossum ist ein einflussreicher "anti-neoliberaler" Publizist und sollte also eigentlich die politische Stoßrichtung von Schirrmachers Traktat begrüßen. Trotzdem legt er den Finger in die Wunde - Schirrmacher übertreibt die Erfolge spieltheoretischer Strategien maßlos
Wahr ist, dass Tausende von Agenturen, Think Tanks, Brain Trusts, Werbekreuzzügler oder Abrichtungsphantasten genau daran arbeiten mögen, allein, wenn sich Ford gegen Opel durchsetzt, dann kann man das hinterher als Gewinnstrategie beschreiben, aber eben nicht vorher. ... der Kapitalismus tritt hier wie das Verhängnis einer antiken Tragödie auf, allerdings in einer Trash-Version - gewissermaßen wie die Killertomaten in einem amerikanischen B-Movie: Unseren Laboren entschlüpft, haben die bösen Früchte jetzt ihre triefend rote Herrschaft über uns errichtet.
Nicht nur das. Schirrmachers Argumentation ist ziemlich faktenfrei, hat aber trotzdem riesige Löcher. Van Rossum:
Man darf die These wagen, stünde nicht Frank Schirrmacher auf dem Umschlag, niemand würde es zur Kenntnis nehmen. Der Erfolg dieses Werkes hat garantiert nichts mit spieltheoretischer Rationalität zu tun, sondern im Gegenteil mit der allgemeinen großen Verwirrung
Insofern sagt der Erfolg von "Ego" einiges über das Niveau des bundesdeutschen Feuilletons.

Donnerstag, 11. April 2013

Völkische Werbung

Bundesgerichtshof entscheidet im Streit um Kennzeichen mit dem Bestandteil "VOLKS"
Der VW-Konzern klagt nämlich seit zehn Jahren gegen Autohändler, die mit der kostbaren Silbe Werbung für ihre Reifen machen. Mit der heutigen Entscheidung des BGH hat VW einen ersten Erfolg erzielt.
Anders als das Oberlandesgericht hat der Bundesgerichtshof nicht ausgeschlossen, dass die Zeichen "Volks-Inspektion", "Volks-Reifen" und "Volks-Werkstatt" die bekannte Marke der Klägerin verletzen. Bekannte oder sogar berühmte Marken verfügen über einen weiten Schutzbereich. Dies hat zur Folge, dass bei der Verwendung anderer Zeichen ein weiter Abstand zu der bekannten Marke eingehalten werden muss.
Gut gemacht, BGH! Das Urheberrecht wird nun einmal gesellschaftlich nützlich werden - wenn VW als nächstes die unerlaubte Verwendung von "Volks-Gemeinschaft" verbieten lassen wird.

Dienstag, 9. April 2013

Ken Loach über Thatchers Erbschaft

Über die Toten nichts außer Gutes - eigentlich. Aber Ken Loach findet gemessene Worte um zu beschreiben, wer Margret Thatcher war und wofür sie erinnert werden wird.



"How should we honour her? Let’s privatise her funeral. Put it out to competitive tender and accept the cheapest bid. It’s what she would have wanted"

Montag, 8. April 2013

Wo wir gerade beim "Biologismus" sind

Gestern habe ich mich an dieser Stelle über eine Sendung beklagt, in der Psychopathologie mit genetischen und hirnbiologischen "Störungen" erklärt wurde. Da hieß es zum Beispiel:
Psychopathen verfügen über das sogenannte „Kriegergen“. Menschen mit dieser Genvariante gehen schneller Risiken ein und können ihre Erfolgschancen besser abschätzen, sie reagieren außerdem impulsiver und aggressiver als Menschen, die dieses Gen nicht in sich tragen.
In einem ausgezeichneten und interessanten Beitrag bei Wissenschaft im Brennpunkt / Deutschlandfunk war nun kurz gefasst zu hören, was mit solchen Behauptungen nicht in Ordnung ist. Der Beitrag "Schön alt" von Martina Keller beschäftigt sich eigentlich mit der gern gestellten Frage, warum manche von uns alt werden und die anderen nicht. Diese Frage wird bekanntlich auch aus genetischer Perspektive untersucht - weshalb er auch im Zusammenhang mit Psychopathologie interessant ist.
Hilger Ropers ist Facharzt für Humangenetik und seit 1984 Direktor des Max-Planck- Instituts für molekulare Genetik in Berlin. 13 Jahren ist es her, dass das erste menschliche Genom entschlüsselt wurde. Ropers weiß er um die Tücken der Interpretation. (...)
"Es hat sich eben in den letzten Jahren herausgestellt, dass alle diese Krankheiten nicht so einfach sich vererben. Es gibt also, anders als man gedacht hat oder jedenfalls behauptet hat, bevor man mit dieser Forschung begonnen hat, es gibt also keine Hauptgene für Alzheimer, und es gibt kein Hauptgen für Herzkreislaufkrankheiten, und es gibt schon lange kein Hauptgen für Krebs. Sondern alle diese Krankheiten zerfallen eigentlich, wenn man genau hinguckt und es genauer untersucht, in viele einzelne diskrete Krankheiten, die alle, wenn sie überhaupt genetisch verursacht sind, diskrete genetische Ursachen haben."
Schon so ein scheinbar simples Merkmal wie die Körpergröße wird mit mehr als 180 verschiedenen Genen in Verbindung gebracht. Eine so spezielle Krankheit wie Schizophrenie ist mit einer Vielzahl von Genveränderungen verbunden. Für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen hat man 71 Risikogene identifiziert.
Die Schwierigkeit einer gentischen Altersprognose besteht darin, dass Familienuntersuchungen beim sehr alten Menschen naturgemäß kaum durchführbar sind.
Eine andere Methode sind epidemiologische Untersuchungen an Kranken und Gesunden, bei denen man im statistischen Vergleich nach Unterschieden in Basenpaaren sucht - besonders häufige Unterschiede könnten mit der Krankheit in Verbindung stehen. Solche Gen-Analysen hatte der Bostoner Forscher Tom Perls für die New England Centenarian Studie bei 800 Hochbetagten und einer Kontrollgruppe durchgeführt. Eine schwierige Aufgabe, wie sich herausstellte. Die erste Veröffentlichung im Jahr 2010 musste Perl zurückziehen. Die zweite, korrigierte Fassung 2012 ergab lediglich eine einzige Genveränderung, die klar mit dem hohen Lebensalter assoziiert war: Das sogenannte APOE-Gen sagt etwas über das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Bei weiteren Genveränderungen war der Zusammenhang deutlich schwächer, im Bereich der statistischen Schwankung. Aber selbst wenn ein Mensch eine risikoreiche Variante des APOE-Gens besitzt, können zig andere Genvarianten dem APOE entgegenwirken. (...)
Hilger Ropers: "Dass man ein Medikament für Langlebigkeit entwickelt, daran glaub ich zunächst erst mal nicht. Ich bezweifele sogar sehr, ich bin jedenfalls sehr skeptisch, ob überhaupt hinterher ein Gen fassbar gemacht wird, was für sich eine Rolle spielt. Ich glaube eher, es wird so ausgehen, dass man feststellt, eine ganze Reihe von negativen Faktoren fehlen einfach bei den ganz alten Leuten. Ja, und dann?
Ja, und dann? Dann rät man den genetisch Auffälligen, das zu tun, was die genetisch Unauffälligen hoffentlich auch machen: gesund zu leben (was immer das bedeuten mag).

Und was macht mit den Leuten, die angeblich mit einem "Psychopathenhirn" durchs Leben gehen? Hoffentlich dasselbe, was man auch denen ohne sagt: benehmt euch anständig.

Sonntag, 7. April 2013

Demokratisierung durch sousveillance?


In der neuen Ausgabe von "Aus Politik und Zeitgeschichte" (PDF) findet sich auch ein Text von mir, nach langer, langer Zeit mal wieder etwas Medienwissenschaftliches (tatsächlich habe ich für diesen Artikel meinen alten Ordner aus dem Studium noch einmal aufgeschlagen).
Das Heft beschäftigt sich mit aus verschiedenen Perspektiven mit "Transparenz und Privatssphäre", und mein Thema ist entsprechend die eher unerwünschte Transparenz von Polizeigewalt, die durch sousveillance, Überwachung von unten entsteht.

Die „Überwachung von unten“ etablierte sich als massenhafte Praxis in den weltweiten sozialen Protesten seit 2008. Ob in Ägypten, Israel, Spanien oder den USA, stets sehen sich Polizisten von einer Schar Demonstranten umringt, die mit ihren Mobiltelefonen den Einsatz filmen.
Aber nicht nur im Rahmen solcher politischer Mobilisierungen wächst die sousveillance. Bürgerrechtsgruppen in britischen und amerikanischen Großstädten beginnen, alle Möglichkeiten auszunutzen, die Smartphones und Internet bieten, um Polizeikontrollen im öffentlichen Raum zu dokumentieren.
Ich beschreibe zwei avancierte souveillance-Versuche (eines aus London und ein anderes aus New York) und umreiße, wo es in Zukunft Konflikte geben wird.
Wenn die Bilder ihren Betrachtern auch nicht notwendigerweise kommunizieren, dass es sich tatsächlich um skandalöse Vorgänge handelt, so kommunizieren sie doch zumindest, dass ihre Verbreiter davon überzeugtsind, Skandalöses zu verbreiten. Es handelt sich um den Versuch eines agenda setting von unten. Möglicherweise ist dieser Aspekt das eigentlich Entscheidende. Sie sind Ausdruck des Selbstbewusstseins von Mediennutzern, die, mit der Polizei konfrontiert, darauf beharren,der eigentliche Souverän zu sein.

Samstag, 6. April 2013

Wie der Biologismus schnurgerade in die Paranoia führt


Eigentlich hält die Wissenschaftssendung "Wissen" auf SWR 2 ein ziemlich hohes Niveau. Ein krasser Ausreißer war die Sendung "Sind Psychopathen therapierbar?".
Bei Psychopathen verzeichnen die Wissenschaftler eine sehr niedrige Aktivität der Amygdala. Hier wird die Grundlage für Empathie gelegt.
ist da zu hören, und
Psychopathen verfügen über das sogenannte „Kriegergen“. Menschen mit dieser Genvariante gehen schneller Risiken ein und können ihre Erfolgschancen besser abschätzen, sie reagieren außerdem impulsiver und aggressiver als Menschen, die dieses Gen nicht in sich tragen.
Sind wir nicht alle ein bißchen Psycho? Gabi Schlag und Dörte Wustrack führen psychopathisches Verhalten kausal auf genetische und Hirnveränderung zurück. Die Anlage kann durch soziale Einflüsse höchstens abgemildert werden. Während mittlerweile der Hype um die Hirnbiologe schon etwas abklingt, gibt es hier eine volle Ladung Verhaltensbiologe pur. Was die vielen bunten Kernspin- oder PET-Aufnahmen eigentlich aussagen, oder ob nicht die vielbemühte Plastizität des Gehirns eigentlich die Therapierbarkeit von Psychopathen zeigen müsste (und die relative Erfolglosigkeit der Behandlung von Psychopathen deshalb andere Ursachen haben muss), warum eigentlich die Aktivierungsmuster des Hirns so weit verbreitet sind, während kaum jemand zum
Mörder, Schläger, Kinderschänder, Vergewaltiger
wird - all diese Fragen werden nicht einmal gestellt!

Auf paradoxe Weise instruktiv ist immerhin die Geschichte von James Fallon (die schon anderswo zu hören war). Zufällig stellte dieser Hirnbiologe fest, dass er selbst ein "Psychopathenhirn" hat.
Ich schaute auf diesen Scan und dachte, ich hätte die Stapel verwechselt, ich dachte, der muss zu dem Mörder-Stapel gehören, denn er sah aus wie der von dem schlimmsten Mörder, den ich je gesehen hatte. Schließlich dekodierte ich den Namen auf demScan, um zu sehen, wohin er gehörte, und ich schaute darauf und es stellte sich heraus, dass es meiner war.
Der
Neurowissenschaftler mit dem Verbrecherhirn
unterzieht daraufhin seine Persönlichkeit einer erneuten Prüfung und stellt erleichtert fest: Seine Sozialisation war so gut, dass er nicht zum Mörder werden musste.
Ich bin 63 und sollte eigentlich wissen, wer ich bin, aber so kann es kommen. Und das gibt mir die Gelegenheit, mich selbst zu hinterfragen. Was treibt mich an? Und warum behandele ich die Menschen um mich herum, wie ich es nun einmal tue, und nicht so, wie ich es sollte? Ich bin mir sicher, dass ich niemandem schaden will. Keiner von meinen Freunden, von meiner Familie, hält mich für gefährlich. Das ist es nicht. Es geht um etwas anderes. Darum, ob man wirklich lieben kann. Und zwar so, dass sich andere auch von dir geliebt fühlen. Das nicht zu können - das ist nicht kriminell, aber enttäuschend. Und ich bin froh, dass ich das jetzt weiß.