Samstag, 6. April 2013

Wie der Biologismus schnurgerade in die Paranoia führt


Eigentlich hält die Wissenschaftssendung "Wissen" auf SWR 2 ein ziemlich hohes Niveau. Ein krasser Ausreißer war die Sendung "Sind Psychopathen therapierbar?".
Bei Psychopathen verzeichnen die Wissenschaftler eine sehr niedrige Aktivität der Amygdala. Hier wird die Grundlage für Empathie gelegt.
ist da zu hören, und
Psychopathen verfügen über das sogenannte „Kriegergen“. Menschen mit dieser Genvariante gehen schneller Risiken ein und können ihre Erfolgschancen besser abschätzen, sie reagieren außerdem impulsiver und aggressiver als Menschen, die dieses Gen nicht in sich tragen.
Sind wir nicht alle ein bißchen Psycho? Gabi Schlag und Dörte Wustrack führen psychopathisches Verhalten kausal auf genetische und Hirnveränderung zurück. Die Anlage kann durch soziale Einflüsse höchstens abgemildert werden. Während mittlerweile der Hype um die Hirnbiologe schon etwas abklingt, gibt es hier eine volle Ladung Verhaltensbiologe pur. Was die vielen bunten Kernspin- oder PET-Aufnahmen eigentlich aussagen, oder ob nicht die vielbemühte Plastizität des Gehirns eigentlich die Therapierbarkeit von Psychopathen zeigen müsste (und die relative Erfolglosigkeit der Behandlung von Psychopathen deshalb andere Ursachen haben muss), warum eigentlich die Aktivierungsmuster des Hirns so weit verbreitet sind, während kaum jemand zum
Mörder, Schläger, Kinderschänder, Vergewaltiger
wird - all diese Fragen werden nicht einmal gestellt!

Auf paradoxe Weise instruktiv ist immerhin die Geschichte von James Fallon (die schon anderswo zu hören war). Zufällig stellte dieser Hirnbiologe fest, dass er selbst ein "Psychopathenhirn" hat.
Ich schaute auf diesen Scan und dachte, ich hätte die Stapel verwechselt, ich dachte, der muss zu dem Mörder-Stapel gehören, denn er sah aus wie der von dem schlimmsten Mörder, den ich je gesehen hatte. Schließlich dekodierte ich den Namen auf demScan, um zu sehen, wohin er gehörte, und ich schaute darauf und es stellte sich heraus, dass es meiner war.
Der
Neurowissenschaftler mit dem Verbrecherhirn
unterzieht daraufhin seine Persönlichkeit einer erneuten Prüfung und stellt erleichtert fest: Seine Sozialisation war so gut, dass er nicht zum Mörder werden musste.
Ich bin 63 und sollte eigentlich wissen, wer ich bin, aber so kann es kommen. Und das gibt mir die Gelegenheit, mich selbst zu hinterfragen. Was treibt mich an? Und warum behandele ich die Menschen um mich herum, wie ich es nun einmal tue, und nicht so, wie ich es sollte? Ich bin mir sicher, dass ich niemandem schaden will. Keiner von meinen Freunden, von meiner Familie, hält mich für gefährlich. Das ist es nicht. Es geht um etwas anderes. Darum, ob man wirklich lieben kann. Und zwar so, dass sich andere auch von dir geliebt fühlen. Das nicht zu können - das ist nicht kriminell, aber enttäuschend. Und ich bin froh, dass ich das jetzt weiß.