Donnerstag, 18. Februar 2016

Von Vorbeugungsverweigerern und Gesundheitsberatern


Am vergangen Sonntag war ich im Ruhrgebiet und durfte im Essener Schauspielhaus mit einem freudlichen und diskussionsfreudigen Publikum über "Risiken und Nebenwirkungen der gesundheitlichen Prävention" sprechen. In meinem Vortrag habe ich die gesundheitspolitischen und historischen Aspekte von "Mythos Vorbeugung" noch einmal zusammengefasst. Meine Stimme klang leider ziemlich verschnupft, weil ich erkältet war - von wegen: "Arzt, heil dich selbst!" - aber ich habe jetzt trotzdem einen Mitschnitt ins Netz gestellt.

Aus der Ankündigung:

Je gesünder die Menschen sein wollen, umso kranker fühlen sie sich. Nur oberflächlich betrachtet ist das ein Widerspruch, weil die Frage der Gesundheit immer weiter ins Zentrum des Alltagslebens rückt. Ob mangelnde Leistungsfähigkeit, Nervosität, sexuelle Frustration, Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, selbst der Alterungsprozess – immer mehr Leiden werden als Krankheiten aufgefasst, die mit biomedizinischen Begriffen zu fassen und mit geeigneten Methoden zu bekämpfen seien. Der Umgang mit Körper und Psyche wird zunehmend professionell. Historiker nennen das Мedikalisierung.
Angetrieben wird diese Entwicklung von Sozialstaat und der medizinischen und therapeutischen Industrie, deren Versprechen die Bevölkerung allerdings nur zu gerne glauben mag: Versprechen von Kontrolle und Sicherheit über den eigenen Körper und das eigene Leben. „Unmündigkeit erweist sich als das Unvermögen, sich selbst zu erhalten“, heißt es bei Adorno und Horkheimer. Das Urteil über den Unmündigen lautet: gesellschaftlicher Tod. Also doch lieber rein ins Fitness-Studio?