Montag, 8. Februar 2016

Warum ist die Europäische Union in der Krise?

Europas Wirtschaft läuft nicht rund. Eigentlich läuft sie sogar immer langsamer. Der Motor stottert, und das, obwohl Öl und Kredit gerade zu Schleuderpreisen zu haben sind. Mit "rundlaufen" meine ich natürlich nicht, dass es der Bevölkerung gut geht, sondern das wesentliche, die conditio sine qua non: Wachstum.

Wie sieht es damit aus? Das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone insgeamt liegt immer noch unter dem Niveau von 2007. Die Bankenkrise ist längst nicht bereinigt, bei den italienischen und portugiesischen Finanzinstituten ist die Menge der faulen Kredite seit 2011 sogar gestiegen, in Spanien etwa gleich geblieben. Die Staatsschuldenquote ist im Euroraum nach sechs Jahren Austeritätspolitik höher als jemals zuvor; sie wuchs von 65 Prozent im Jahr 2007 auf 92 Prozent im Jahr 2014.
Heute haben die Chefs der französischen und deutschen Notenbank François Villeroy de Galhau und Jens Weidmann gemeinsam einen Kommentar in der Süddeutschen veröffentlicht. Wie werden sie die Misere erklären, was empfehlen?

Erraten: die Arbeitskraft ist immer noch zu teuer und der Staat muss Markteintrittsbarrieren beseitigen, damit das Kapital investiert wird. Dass de Galhau und Weidmann das glauben, ist so richtig gar nicht überraschend. Sehr überraschend dagegen: Die beiden plädieren für eine gemeinsame politische Steuerung in der Eurozone, für eine Art gemeinsame Wirtschaftsregierung, der die nationalen Parlamente Rechte abtreten sollen.

Eine stärkere Integration scheint der naheliegende Weg zu sein, um das Vertrauen in den Euro-Raum wiederherzustellen, denn dies würde die Entwicklung gemeinsamer Strategien für die Staatsfinanzen und für Reformen begünstigen und damit das Wachstum fördern. Zu diesem Zweck müssten die Euro-Länder natürlich in erheblichem Maße Souveränität und Befugnisse auf die europäische Ebene übertragen, was wiederum eine größere demokratische Rechenschaftspflicht erfordern würde.
Sie formulieren das im Konjunktiv, das klingt vorsichtig und durchdacht. Aber die beiden haben ganz konkrete Vorstellungen, wie diese Wirtschaftsregierung der Eurozone aussehen soll:
Aufbau einer effizienten und weniger fragmentierten europäischen Verwaltung, Schaffung eines gemeinsames Finanzministeriums für den Euro-Raum in Verbindung mit einem unabhängigen Fiskalrat sowie der Bildung eines stärkeren politischen Gremiums, das politische Entscheidungen trifft und der parlamentarischen Kontrolle unterliegt
De Galhau und Jens Weidmann wollen, wie sie sagen, eine europäische „Finanzierungs- und Investitionsunion“. Aber wäre das dann nicht eine – Trigger-Warnung für deutsche Leser! – “Transferunion“? Und das von dem Chef der Bundesbank, der bei jeder Gelegenheit vor einer Umverteilung innerhalb der Europäischen Union warnt? Was um Himmels Willen ist das los?

Heute Abend um 19 Uhr 30 läuft bei Deutschlandradio Kultur mein Feature „Europa in der Sackgasse - Warum die EU wirklich in der Krise ist, das hoffentlich wenigstens einige dieser Fragen beantworten wird.